Wenn Sie von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Steuerhinterziehung erfahren, wissen Sie oft nicht, was die nächsten Schritte sein können.
Sollen Sie sich mit Ihrem beauftragten Steuerbüro in Verbindung setzen?
Sollen Sie Angaben gegenüber dem Finanzamt machen?
Die Antwort lautet: Nein!
Dieser Artikel geht zunächst auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung ein, beleuchtet die Unterscheidung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit, nennt mögliche Verteidigungsstrategien und gibt Anweisungen, wie Sie sich zu verhalten haben.
1. Grundlagen der Steuerhinterziehung:
Die Steuerhinterziehung wird in § 370 AO (Abgabenordnung) normiert. Unter Strafandrohung steht dort das vorsätzliche Unterlassen der vollständigen Angabe steuerlich relevanter Informationen gegenüber den Finanzbehörden. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsdelikten schützt diese Norm das Steueraufkommen des Staates. Die genauen Umstände und die Schwere des Delikts bestimmen, ob es sich um eine Steuerstraftat oder eine Ordnungswidrigkeit handelt.
2. Unterschiede zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit:
Steuerstraftat:
Die Unterscheidung zwischen einer Steuerstraftat und einer Steuerordnungswidrigkeit ist im deutschen Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung. Eine Steuerstraftat nach § 370 AO bezieht sich auf absichtliche Handlungen wie das Verschweigen von Einkünften oder das Vortäuschen falscher Tatsachen, um Steuern zu verkürzen. Der Staat kann solche Handlungen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafen ahnden. In schweren Fällen, beispielsweise bei besonders hohen hinterzogenen Beträgen oder bei Nutzung von komplexen Offshore-Konstrukten, kann die Strafe sogar bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe betragen.
Steuerordnungswidrigkeit:
Im Gegensatz dazu behandelt § 377 AO Steuerordnungswidrigkeiten, die in der Regel fahrlässige Vergehen umfassen. Diese beinhalten Situationen, in denen Steuerpflichtige aus Unachtsamkeit oder mangelnder Sorgfalt Fehler in ihren Steuererklärungen machen. Diese Vergehen ziehen in der Regel keine Freiheitsstrafen nach sich, sondern werden meist mit Geldbußen geahndet. Mit einer geschickten Argumentation bereits im Ermittlungsverfahren, kann also aus dem Vorwurf einer Steuerhinterziehung eine Ordnungswidrigkeit gemacht werden.
Die genaue Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien ist oft komplex und hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Hierbei spielen Faktoren wie die Höhe des hinterzogenen Betrags, die Dauer der Hinterziehung und das Maß des Vorsatzes eine entscheidende Rolle.
3. Verteidigungsstrategien bei Steuerhinterziehung:
In Fällen von Steuerhinterziehung ist die Entwicklung einer effektiven Verteidigungsstrategie von entscheidender Bedeutung.
Fahrlässiges Handeln:
Eine gängige Strategie besteht darin, die Qualifikation einer Tat von einer Steuerstraftat zu einer Ordnungswidrigkeit zu ändern. Dies kann erreicht werden, indem beispielsweise nachgewiesen wird, dass die Hinterziehung auf einem Missverständnis oder einer Fehlinterpretation der komplexen Steuergesetze beruhte, statt auf einer vorsätzlichen Absicht zur Steuerumgehung.
Glaubwürdigkeit der Beweismittel:
Ein weiterer Ansatzpunkt kann die Glaubwürdigkeit der Beweismittel sein. In einigen Fällen können Beweise, die von den Finanzbehörden vorgebracht werden, auf ihre Rechtmäßigkeit und Zuverlässigkeit hinterfragt werden. Ein erfahrener Anwalt kann dabei helfen, die Beweisführung der Finanzbehörde zu analysieren und mögliche Schwächen aufzuzeigen.
Selbstanzeige:
Darüber hinaus kann auch die Möglichkeit einer Selbstanzeige als Teil der Verteidigungsstrategie in Betracht gezogen werden. Wenn eine Person, die sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht hat, eine vollständige und rechtzeitige Selbstanzeige erstattet, bevor die Tat entdeckt wird, kann dies zu einer erheblichen Reduzierung der Strafe oder sogar zur Straffreiheit führen. Eine Selbstanzeige kann insbesondere für die Jahre vor und nach den vorgeworfenen Taten in Betracht gezogen werden.
Diese Strategien erfordern ein tiefgehendes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie eine sorgfältige Analyse des jeweiligen Falls. Die Einbindung eines spezialisierten Anwalts, der Erfahrung im Umgang mit Steuerstrafrecht hat, ist daher unerlässlich.
4. Was ist als nächstes zu tun?
Kein Kontakt zu anderen Beteiligten!
Die Auseinandersetzung mit der Steuerhinterziehung und den damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen erfordert nicht nur ein tiefes Verständnis der Gesetzeslage, sondern auch eine umsichtige Herangehensweise, insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation mit Dritten. In Fällen, in denen der Verdacht einer Steuerhinterziehung besteht, ist es von größter Wichtigkeit, Vorsicht bei der Kommunikation mit möglichen Mitbeteiligten, wie einem beauftragten Steuerbüro, zu walten.
Es besteht stets das Risiko, dass auch gegen Dritte, beispielsweise gegen das Steuerbüro oder andere Personen, die möglicherweise in die Tat involviert waren, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Jegliche Kommunikation mit diesen Parteien könnte dazu führen, dass Informationen, ob absichtlich oder unbeabsichtigt, an die Finanzbehörden oder die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Selbst unschuldig erscheinende Gespräche können unbeabsichtigte Folgen haben, da jede Äußerung potenziell gegen den Mandanten verwendet werden könnte.
Keine Angaben gegenüber der Finanzbehörde oder Staatsanwaltschaft!
Auch ist es besonders wichtig keine vorschnellen Angaben der Finanzbehörde gegenüber zu machen. Nachdem Sie die Aufforderung erhalten haben, Angaben zu tätigen, besitzen Sie noch nicht die entscheidenden Informationen, um darauf zu reagieren. Meist ergibt sich aus den Schreiben nur, um welches Jahr und welche Norm (konkreter Hinterziehungstatbestand) es sich handeln soll. Vorsicht! Diese Angaben sind in den seltensten Fällen vollständig. Meistens handelt es sich entweder noch um weitere Jahre oder andere Straftaten, die nicht genannt sind. Der nächste Schritt nach der Aufforderung durch das Finanzamt, ist der Antrag auf Akteneinsicht. Aus der Akte ergibt sich regelmäßig der konkrete Vorwurf und der korrekte Zeitraum. Machen Sie vorschnell Angaben, geben Sie dem Finanzamt oft Informationen, die dort noch nicht vorlagen und die Sie zusätzlich belasten können.
Was können wir für Sie tun?
Da es extrem ungünstig ist, wenn Sie als Beschuldigter in Kontakt mit dem Finanzamt oder anderen Beteiligten (z.B. Steuerbüro) treten und Sie selbst auch kein Recht auf Akteneinsicht haben, ist es entscheidend, dass Sie unmittelbar und ausschließlich mit einem spezialisierten Anwalt im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts kommunizieren. Gerne können Sie uns zu diesem Thema kontaktieren. Wir beantragen für Sie die Akteneinsicht und teilen der Finanzbehörde mit, dass wir zu den Vorwürfen erst nach erfolgter Akteneinsicht Stellung nehmen. Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren, auch wenn sie aufgefordert wurden binnen eines Monats Angaben zu machen und die Frist bald abläuft oder sogar schon abgelaufen ist. Das Recht auf Akteneinsicht und auf rechtliches Gehör bleibt bestehen. Nach Kenntnis des Akteninhalts geben wir Ihnen eine Einschätzung zu den konkreten Vorwürfen, die sich aus der Akte ergeben und entwickeln eine Verteidigungsstrategie. Es besteht insofern die Möglichkeit sich schweigend zu verteidigen oder zu versuchen durch Argumentationen bezüglich Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit, den Vorwurf herunterzuspielen. Ziel ist zunächst die Einstellung des Verfahrens. Sollte die Einstellung nicht erreicht werden können, so stehen wir ihnen auch im gerichtlichen Verfahren zur Seite.