Für wen gilt das Jugendstrafrecht, wo liegen die Besonderheiten im Verfahren und was muss ich tun, wenn gegen mich ermittelt wird?

Das Jugendstrafrecht ist ein spezieller Bereich des Strafrechts, der sich mit Straftaten befasst, die von jungen Menschen begangen werden. In vielen Ländern, einschließlich Deutschland, gilt das Jugendstrafrecht für Personen, die zum Zeitpunkt der Tat älter als 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. In einigen Fällen kann es auch auf Heranwachsende bis zum Alter von 21 Jahren angewendet werden. Ziel des Jugendstrafrechts ist es, einen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit der Rechtsdurchsetzung und der besonderen Bedürfnisse junger Menschen zu schaffen. Es basiert auf der Erkenntnis, dass Jugendliche und Heranwachsende in ihrer Entwicklung noch nicht abgeschlossen sind und daher eine andere Behandlung benötigen als erwachsene Straftäter.

Grundprinzipien des Jugendstrafrechts

Das Jugendstrafrecht beruht auf mehreren Grundprinzipien:

  1. Erziehung statt Strafe: Der Schwerpunkt liegt auf der Erziehung des Jugendlichen, um zukünftiges straffreies Verhalten zu fördern, anstatt ihn einfach zu bestrafen.
  2. Individualisierung: Die Maßnahmen sind speziell auf den einzelnen Jugendlichen zugeschnitten, um seinen Bedürfnissen und seiner Situation gerecht zu werden.
  3. Diversionsprinzip: Wo immer möglich, wird versucht, formelle Strafverfahren zu vermeiden und stattdessen alternative Maßnahmen zu ergreifen.
  4. Beteiligung von Erziehungsberechtigten und sozialen Diensten: Die Familie des Jugendlichen und soziale Einrichtungen werden in den Prozess einbezogen, um eine umfassende Unterstützung zu bieten.

Praktische Besonderheiten des Jugendstrafrechts

Erzieherische Maßnahmen

Zu den erzieherischen Maßnahmen gehören unter anderem Weisungen, wie die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs, und Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Jugendlichen sozialverträgliches Verhalten beizubringen und ihn in seiner Entwicklung zu unterstützen.

Diversionsverfahren

Diversionsverfahren bieten die Möglichkeit, ein formelles Gerichtsverfahren zu vermeiden. Stattdessen kann der Jugendliche z.B. zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Dies dient dem Zweck, den Jugendlichen für sein Handeln Verantwortung übernehmen zu lassen, ohne ihn durch die Folgen eines Gerichtsverfahrens zusätzlich zu belasten.

Unterschiedliche Sanktionen

Neben den erzieherischen Maßnahmen sieht das Jugendstrafrecht auch Sanktionen vor, die jedoch immer das Ziel der Resozialisierung verfolgen. Dazu gehören unter anderem Jugendarrest und Jugendstrafe. Während Jugendarrest eine kurzfristige Freiheitsentziehung darstellt, ist die Jugendstrafe für schwerere Delikte vorgesehen und kann auch zur Bewährung ausgesetzt werden.

Verfahrensbesonderheiten

Das Verfahren im Jugendstrafrecht unterscheidet sich in mehreren Punkten vom allgemeinen Strafverfahren. So ist die Öffentlichkeit von der Verhandlung in der Regel ausgeschlossen, um den Jugendlichen zu schützen. Weiterhin sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft in besonderer Weise aufgefordert, erzieherisch zu wirken und den Entwicklungsstand des Jugendlichen zu berücksichtigen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Möglichkeit einer Nebenklage des Opfers in Jugendstrafverfahren meist eingeschränkter ist als im allgemeinen Strafverfahren. Dies reflektiert das primäre Ziel des Jugendstrafrechts, den Fokus auf die Erziehung und Resozialisierung des jugendlichen Täters zu legen, während die direkte Beteiligung und Vergeltungsforderungen des Opfers in den Hintergrund treten. Obwohl die Interessen des Opfers nicht ignoriert werden, steht die Nebenklage nicht im Vordergrund des Jugendstrafrechts und wird nur unter bestimmten, oft schwerwiegenderen Umständen zugelassen.

Was soll ich tun, wenn gegen mich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde?

Wie auch im Erwachsenenstrafrecht sollte auch der Jugendliche unbedingt von seinem Schweigerecht gebrauch machen. Ihr seid nicht verpflichtet als Beschuldigte Angaben gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu machen. Wird eine Aussage gemacht, so ist es meist schwer diese wieder zu entkräften. Kontaktiert am Besten einen Anwalt und schildert eure Situation. Ein Anwalt wird euch auch über die Möglichkeit der Kostenübernahme aufklären und welche Möglichkeiten euch sonst zur Verfügung stehen.

Es ist entscheidend, dass der Jugendliche und seine Erziehungsberechtigten die Bedeutung eines frühzeitigen Kontakts zu einem Rechtsanwalt verstehen. Ein Anwalt kann bereits im Vorfeld der Ermittlungen beratend tätig werden, den Jugendlichen und seine Familie über die Rechte und Pflichten aufklären und während der gesamten Dauer des Verfahrens unterstützend zur Seite stehen.

Einige der Schlüsselvoraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers bei Jugendlichen sind:

  • Schwere der Tat: Wenn dem Jugendlichen eine Tat vorgeworfen wird, die bei einer Verurteilung voraussichtlich zu einer Jugendstrafe führen würde, insbesondere wenn eine Freiheitsentziehung zu erwarten ist.
  • Komplexität des Verfahrens: Wenn das Verfahren aufgrund seiner rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten die Mitwirkung eines Verteidigers erfordert. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn es um umfangreiche Beweisführungen oder komplexe rechtliche Fragen geht.
  • Interessenkonflikt: Wenn ein Interessenkonflikt zwischen dem Jugendlichen und seinen gesetzlichen Vertretern oder einem Mitbeschuldigten besteht.
  • Schutzbedürftigkeit: Darüber hinaus wird die Schutzbedürftigkeit von Jugendlichen im Allgemeinen stärker gewichtet. Das bedeutet, dass ein Pflichtverteidiger auch in Situationen bestellt werden kann, in denen dies für einen Erwachsenen vielleicht nicht der Fall wäre, um sicherzustellen, dass die Rechte des Jugendlichen vollständig gewahrt und seine Interessen effektiv vertreten werden

Was können wir für Dich tun?

Da Du auf keinen Fall in Kontakt mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder anderen Beteiligten treten solltest und Du selbst auch kein Recht auf Akteneinsicht hast, ist es entscheidend, dass Du unmittelbar und ausschließlich mit einem spezialisierten Anwalt kommunizierst. Gerne kannst Du uns zu diesem Thema kontaktieren. Wir beantragen für Dich die Akteneinsicht und teilen der Polizei mit, dass wir zu den Vorwürfen erst nach erfolgter Akteneinsicht Stellung nehmen. Zögere nicht uns zu kontaktieren, auch wenn Du aufgefordert wurdest binnen zwei Wochen Angaben zu machen und die Frist bald abläuft oder sogar schon abgelaufen ist. Das Recht auf Akteneinsicht und auf rechtliches Gehör bleibt bestehen. Nach Kenntnis des Akteninhalts geben wir Dir eine Einschätzung zu den konkreten Vorwürfen, die sich aus der Akte ergeben und entwickeln eine Verteidigungsstrategie. Es besteht insofern die Möglichkeit sich schweigend zu verteidigen oder zu versuchen durch Argumentationen den Vorwurf herunterzuspielen. Ziel ist zunächst die Einstellung des Verfahrens. Sollte die Einstellung nicht erreicht werden können, so stehen wir Dir auch im gerichtlichen Verfahren zur Seite.